Über
Wie sind Sie zur Malerei gekommen?
Das war ein sehr langer Prozess. Eigentlich wollte ich nicht auch noch Maler werden wie meine Eltern … Deswegen hatte ich mich beruflich mit anderen Dingen beschäftigt. In Leipzig und in London habe ich Visuelle Kommunikation studiert, was mich dann lange Jahre im Berufsleben sehr befriedigt hat. Irgendwann, das war Mitte der 90er, wollte ich dann doch mal wissen, ob ich malen könnte, wenn ich es denn wollen würde. Da habe ich, ohne es je probiert zu haben, zwei Bilder gemalt. Zuerst ein Selbstportrait und das Bildnis von Reinhold Lilie, einem damaligen Freund. Als ich dann die beiden Bilder an der Wand hängen sah, war ich selbst ein bisschen erstaunt über das Resultat. Obwohl die beiden Portraits nicht makellos sind – vor allem in der technischen Ausführung – hatte ich mir ein solches Ergebnis doch vorher eigentlich nicht zugetraut. Leicht irritiert habe ich mich dann sofort wieder meiner mir vertrauten Arbeit zugewandt und diesen „Zwischenfall“ zunächst vergessen. Erst viele Jahre später flammte das Bedürfnis zu malen erneut auf. Ich hatte meinen Lebensraum inzwischen mehr nach Italien verlagert und auch dadurchAbstand und Autonomie zu meiner Herkunft erlangt. Als dann das Gefühl kam, wirklich und ernsthaft malen zu wollen, fühlte ich mich von nichts und niemandem mehr behindert. Und so begann ich.
Die Malerei in Ihren Bildern ist die der „Alten Meister“ – ein eher klassischer Ansatz in der technischen Ausführung. Was sind die Gründe, die Sie dazu bewegt haben, diese Malweise beizubehalten, obwohl die Zeit doch so vorangeschritten ist?
Das mag zwei Gründe haben. Zum einen bin ich im Elternhaus mit dieser Malweise aufgewachsen. Den langsamen und schwierigen Schaffensprozess bei der Entstehung der Gemälde habe ich seit frühster Kindheit beobachten können. Dadurch habe ich zum anderen vielleicht einen viel direkteren Zugang zu dieser Art von Malerei. Mir gefällt auch die Langsamkeit in der über viele Wochen oder sogar Monate ein Bild entsteht. Beim Betrachten von abstrakter großflächiger Kunst der Gegenwart hat sich emotional bei mir nie viel getan. Ob meine Malerei nun als zeitgenössisch oder klassisch beurteilt wird, ist für mich selbst unerheblich.
Gibt es Kunstwerke vergangener Epochen oder auch Menschen in Ihrem Leben, die Sie in Ihrer Arbeit beeinflusst haben?
Die Kreativität im Beruf meiner Eltern hat meine Identität seit frühster Kindheit entscheidend geprägt. Kreativität brauche ich einfach zum Atmen, sie ist ein essenzieller Teil von mir. Ich bin mit Bildern aufgewachsen und mit deren Entstehungsprozess. Damit verbindet sich automatisch eine bestimmte Lebensweise, die sich heute auch in meinem Alltag widerspiegelt. Als ich dann studiert habe, lernte ich meinen Professor Timm Rautert kennen. Durch ihn kam noch ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu. Er lehrte mich, mit meinen Bildern in der realen Welt in einer Weise umzugehen, die es möglich machte, mich in die Wirklichkeit zu integrieren. Konkret meint das zum Beispiel die Zusammenarbeit mit einer Galerie, das Organisieren von Ausstellungen, Katalogproduktionen oder die Kommunikation mit Museen, Sammlern und Kunstinteressierten. Auch das ist ein wichtiger Teil im Beruf eines Künstlers, und ich bin meinem Professor dankbar dafür. Das Ergebnis aus allem ist Freiheit und vor allem Zeit im eigenen künstlerischen Schaffensprozess.
Mit Bildern aufzuwachsen und mit Bildern zu leben, heißt natürlich auch, sich mit der Geschichte der Kunst zu beschäftigen. Ich habe da so meine Lieblinge. Neben Leonardo da Vinci oder Domenico Ghirlandaio schaue ich mir regelmäßig Werke von Albrecht Dürer, Hans Holbein und Lucas Cranach an, um nur Einige zu nennen. Mir gefallen aber auch einige Vertreter der Neuen Sachlichkeit wie zum Beispiel Christian Schad und Otto Dix. Mein Interesse an den Gemälden dieser großen Künstler gilt sowohl dem jeweiligen thematischen Inhalt als auch der technischen Umsetzung in der Malweise.
Gibt es etwas, das all Ihre Bilder inhaltlich zusammenhält, wie finden Sie Ihre Themen in der Malerei?
Eine besonders starke Affinität habe ich zum Portrait. Das war schon immer so. Ein zweites Thema in meiner Malerei ist die Natur. Wenn ich beim Portraitieren dem Wesen eines Menschen nahekommen möchte, oder besser – dem Individuellen, der Einzigartigkeit oder der Aura einer Person – gilt dies am Ende auch für meine Bilder, die ich nach der Natur male. In beiden Themen spüre ich die Seele, sei es in einem Gesicht oder beim Betrachten einer Blume oder eines Vogels. Was ich male, finde ich vor der Haustür. Treffe ich einen interessanten Menschen, spreche ich ihn an. Finde ich eine schöne Pflanze oder ein Insekt am Wegesrand male ich ein Bild.
Welche Rolle spielt für Sie das Arbeiten in Bildserien, oder ist es mehr das Einzelbild, das Sie in Ihrer Malerei interessiert?
Mich interessiert beides. Der Begriff „Bildserie“ trifft es nicht ganz. Ich würde die Bilder, die in engem inhaltlichen Zusammenhang stehen, eher als Werk – oder Themengruppen bezeichnen. Wenn mich ein Thema fesselt, male ich meist mehrere Bilder, weil ich Schwierigkeiten habe, mich nach einem einzigen Bild sofort auf etwas anderes zu konzentrieren. Es kann sich um Variationen eines „Objekts“ handeln oder es kann eine Gruppe von verschiedenen Objekten sein wie zum Beispiel bei meinen Insekten Bildern. Beim Portrait genügt mir hingegen oft ein einziges Bild, wobei ich auch da – in größeren zeitlichen Abständen – auf eine Person zurückkommen kann. Das sieht man sehr schön, wenn man sich die Portraits meiner Kinder anschaut. Wenn ich mir alle Gemälde ansehe, die ich über die Jahre gemalt habe, merke ich, dass sich die Bilder gewissermaßen selbständig zu Themengruppen geordnet und zusammengefunden haben.
Welche Rolle spielt in Ihrem Werk der Name „Tübke“?
Ich war gerade 4 Jahre alt, als die Ehe meiner Eltern geschieden wurde. Seit dieser Zeit hatte ich mit meinem Vater nicht mehr viel zu tun. Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen. Als ich in Leipzig studierte habe, hatte ich meinen Vater dann hin und wieder gesehen. Es kam aber keine emotionale Beziehung mehr zustande. Als Kind fehlte mir ein Vater. Beruflich fühle ich mich dadurch aber doch freier als Viele vermuten. Dennoch habe ich lange gewartet, bis ich mit dem Malen angefangen habe. Erst als ich meinen Lebensraum mehr nach Italien verlagert habe, erlangte ich die innere Autonomie, die notwendig war um mit der Malerei zu beginnen. In Italien kennen den Namen nur wenige, ein perfektes Umfeld also, um frisch und munter drauf los zu arbeiten. Ich hatte bei meiner Mutter beobachten können, wie sehr sie manchmal darunter litt, die malende Exfrau vom Tübke zu sein. Glücklicherweise hat sie sich nie wirklich davon irritieren lassen, wofür sie aber ein bisschen Kraft aufwenden musste. Dieses Problem habe ich in meiner Gegenwart überhaupt nicht.
Die technische Perfektion in Ihren Bildern setzt eine Menge Disziplin und auch eine Langsamkeit in Ihrem Schaffensprozess voraus. Das bringt eine gewisse Einsamkeit mit sich. Wie kommen Sie in Ihrer persönlichen Lebensweise damit zurecht?
Disziplin und Konzentration habe ich bei beiden meiner Eltern sehr stark wahrnehmen können. Das braucht man, sonst wird das alles nichts bei dieser Malweise. Die Langsamkeit, in der ein Gemälde entsteht, finde ich großartig. Es macht Spaß, den komplexen Entstehungsprozess voranzutreiben und zu steuern. Es ist in höchstem Maße befriedigend, nach vielen Wochen dann das fertige Gemälde zu betrachten – vor allem in dem Moment, in dem es in den Rahmen kommt.
Mein Atelier ist im Zentrum einer Kleinstadt. Das ist sehr vorteilhaft. Wenn ich einige Stunden einsam vor mich hingearbeitet habe, gehe ich nach draußen. Es gibt ganz in der Nähe eine Kaffeebar. Dort sind immer Leute, mit denen ich mich unterhalten kann, und ich treffe Freunde. Nachmittags, wenn meine Kinder aus der Schule kommen, bin ich dann ausschließlich und bewusst für meine Familie da. Es ist, wie ich finde, eine sehr ausgewogene Tagesstruktur.
Gibt es in Ihrem Werk Bezüge zur Gegenwart und zu gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit?
Eher indirekt, einen direkten Bezug zu gesellschaftlichen Entwicklungen in der Gegenwart gibt es nicht. Ich merke aber, dass es eine gewisse Sehnsucht gibt nach Ruhe und Tiefe in der Kunst. Auch das hat mit unserer aktuellen Zeit zu tun. Die Menschen sind müde vom Schnelllebigen, Flüchtigen und von Oberflächlichkeit; sie haben angefangen, sich zu besinnen. Das empfinde ich als sehr positiv.
Was für eine Haltung haben Sie zur Kunst der Gegenwart?
Kunst gefällt mir, wenn ich emotional von ihr berührt oder sogar ergriffen werde. Das ist bei zeitgenössischer Kunst nur sehr selten der Fall. Ich möchte mir kein Urteil erlauben, habe aber den persönlichen Eindruck, dass sich da viel an der Oberfläche abspielt. Der Begriff „Gemälde“ in der bildenden Kunst hat mir immer sehr gefallen. Dieser Begriff kommt mir beim Betrachten von Bildern der Gegenwart kaum über die Lippen. Bilder in der Gegenwartskunst tendieren dazu, groß und farbenfroh zu sein. Oft habe ich das Gefühl, dass sie mehr im Interieur Design zu Hause sind, gewissermaßen als Raumgestaltung. Auch bemerke ich die Schnelligkeit, in der sie entstanden sind. Als Liebhaber von gutem Handwerk finde ich das sehr bedenklich, aber es gibt natürlich Ausnahmen. Im Bereich der Installation und in der Bildhauerei finde ich hingegen noch Werke, die mich interessieren.
Wo sähen Sie Ihre Bilder am liebsten – in den Museen dieser Welt, bei Kunstliebhabern und Sammlern oder auch im privaten Lebensraum von Freunden und Bekannten?
Mit meinen Bildern soll gelebt werden, sei es in einem Museum, im Foyer eines Geschäftsgebäudes oder in einem privaten Wohnzimmer. Wichtig ist, dass sie, in welcher Form auch immer, für Liebhaber der Kunst zugänglich sind.
Sie leben in einem kleinen Dorf mitten in der Natur. Was schöpfen Sie aus diesem Lebensraum?
Das Leben in einer großen Stadt würde mich nervös machen. Die Schnelligkeit und die Hektik im Alltag stehen im Gegensatz zu meiner eher langsamen und ruhigen Arbeitsweise. Die Natur gibt mir Ruhe und Kraft, ich fühle mich permanent mit ihr verbunden, sie ist meine Verbindung zum Universum. An einem friedlichen Ort kann ich mich sehr gut auf meine Arbeit konzentrieren.
Der Kunstmarkt boomt seit Jahren, schwindelerregende Preise mit ständig neuen Rekorden sind an der Tagesordnung – wie denken Sie über die Entwicklung der kommerziellen Vermarktung von Kunst?
Instinktiv habe ich begriffen, dass es besser ist, sich möglichst wenig mit dem Kunstmarkt zu beschäftigen. Er irritiert, lenkt ab und steht damit der eigenen Arbeit im Wege. Auch die Parameter, die im Kunstmarkt greifen, sind mir völlig fremd – oder ich möchte nichts von ihnen wissen. Es ist wie an der Börse. Man weiß nie, wo es hingeht. Für das strategische Positionieren von Kunst am Markt gibt es Galerien, ich konzentriere mich auf meine Bilder.
Gibt es etwas, das Sie jungen Künstlern gewissermaßen als Botschaft für ihr Schaffen mit auf den Weg geben würden?
Essenzielle Voraussetzung ist Begabung, die hat man oder auch nicht. Hinzu kommen dann Herz, Fleiß, Konzentration und Kommunikation. Aber auch möglichst arbeitsfördernde persönliche Lebensverhältnisse halte ich für wichtig.